Wir steigen aus dem Auto aus und sind mitten in Marrakesch. Mustafa, unser Fahrer, führt uns über einen kleinen Platz. Es ist Mittagszeit und es herrscht hektisches Treiben: Mopeds zischen an uns vorbei, jede Schraube scheppert über das unebene Steinpflaster. Taxis rattern um die Kurve und hupen Esel-gezogene Schubkarren an auf denen ein Verkäufer gerade seine Waren herumkutschiert. Dazwischen Menschen: In langen braune, grauen, grünen Mänteln mit spitzen Kapuzen – „Djellabas“. Sie marschieren durch die engen Gassen, liegen an den Straßenecken oder versammeln sich zu einem lautstarken Tratsch am kleinen Straßenladen um die Ecke. Auf jeden Fall bieten sie einen erdigen Kontrast zu den ganzen bunten Waren und Kunsthandwerken die die Verkäufer zu bieten haben. Marrakesch ist laut – voll tobenden Kindergeschrei, metallenem Scheppern, Verkaufsrufen und melodischen Rhythmus. Marrakesch ist Leben! In jeder engen Gasse und hinter jeder versteckten Tür verbirgt sich das pure Leben. Marrakesch ist außerdem voller Überraschungen. Denn hinter allem was man sieht ist so viel mehr. Schon unser Riad ist ein gutes Beispiel dafür: In einer kleinen, dunklen Seitengasse, hinter einer dicken, dunklen Holztür verbirgt sich unser Riad – ein kleines 7-Zimmer-Hotel mit dem typisch typisch marokkanischen Innenhof. Palmen in großen Tontöpfen, ein kleines Wasserbecken mit bunte Mosaiken in einem lichtdurchfluteten Innenhof mit Arkaden. Das einzige Geräusch, dass man hört ist das zwitschern kleiner Spatzen die sich am Dach verabredet haben um diesen fast kitschigen Schauplatz musikalisch zu untermalen.
Dass es aber auch anders geht zeigt der Platz Djemaa el Fna. Von Ruhe kann hier keine Rede sein: Es ist laut und der Platz gleicht einem Freilufttheater. Schlangenbeschwörer, Wahrsagerinnern, Geschichtenerzähler, Affendresseure und Musiker. Jeder hat hier seine Rolle, seinen Platz und seine Stimme. Und auch die Garküchenbetreiber wollen gehört werden und rufen oder singen ihre Waren unter die Menschenmengen die sich über den Platz schiebt. „Tajine, Couscous, Pastilla!“ Ab 17 Uhr, wenn die Garküchen ihre Herde anwerfen, steigt über dem „La Place“ grauer Rauch auf, der nicht nur hungrige Touristen anlockt sondern auch viele Einheimische. Sobald die Sonne untergangen ist vermischen sich die Gerüche in Marokkos großer Freiluftküche. Es riecht nach süßen, frischen Orangen von den Saftständen, nach dem typisch marokkanischen Minztee und den würzigen Gerüchen des Nationalgerichtes – der Tajiine, genauso wie nach dem Schwarztee in dem die Schnecken langsam vor sich hinköcheln.
Der Djemaa el Fna ist ein Traum für alle Streetfood-Liebhaber!
Für 5 Dirham, umgerechnet 50 Cent bekommt man eine kleine Portion Schnecken. Für 3 Dirham (30 Cent) gibt es eine „Harira“ – eine Kraft spendende und sehr nahrhafte Suppe aus Linsen, Kichererbsen und Tomaten. Typisch dazu: süße Datteln! 50 Dirham – also nur 5 Euro – kostet eine Tajiine mit Fleisch und Gemüse. Was es sonst noch gibt? Spieße mit Fleisch, den typischen marokkanischen Salat aus Gurken und Tomaten oder frittierten Fisch. Nur die ganz Harten trauen sich über das „Sheeps Head“-Sandwich. Mein Highlight: Pastilla. Eine süße und pikante marokkanische Blätterteig-Pastete, die gewöhnlich mit einer süßen Mischung aus Mandeln und Taubenfleisch – oder auch Huhn und Fisch – gefüllt und mit Puderzucker und Zimt bestäubt wird.
An unserem zweiten Tag in Marrakesch beginnen bereits um 6 Uhr die Vögel in unserem Riad zu zwitschern. Es hörte sich an als würde man direkt in ihrem Vogelnest anstatt im Bett des Hotelszimmers kuscheln. Aber es ist der schönste morgendliche Weckruf um Marrakesch zu erkunden. Um das Puzzle Marrakesch zu vervollständigen. Marrakesch kennenzulernen. Richtig kennen wird man Marrakesch wohl nie, denke ich mir als wir durch die namenlosen Gassen der Souks – des Basarviertels in Marrakesch – schlendern. Hier kann mich sich immer wieder aufs Neue im Freiluft-Verkaufs-Labyrinth verlieren. Der „Markt“ ist gefühlt die halbe Medina (Altstadt) und so verzweigt wie die Wurzeln eines Baumes, wohl auch so natürlich gewachsen. Die etwas andere marokkanische Shoppingmall. Man flaniert auf den Straßen in denen Stoffe, Lederwaren, Schuhe, Lampen, Holzschnitzerein und Gewürze angeboten werden. Anders als normale Straßen sind die Straßen aber nicht „oben offen“ sondern mit Holz- oder Blechplanen bedeckt und somit vor Regen geschützt. In den Läden sitzen Männer und beobachten die vorbeiströmenden Touristen, preise ihre Waren an oder… schauen Fußball, auf kleinen Fernsehgeräten die sie zwischen ihren Warenbergen verstecken. Fußball. Der „Nationalsport“ Marokkos. Bei jedem zweiten Café in den Straßen Marrakeschs hängt ein Fernseher vor dem sich, in Spiel versunkene, Marokkaner versammeln. Aber selbst diese unterbrechen ihre Passion wenn es Zeit ist zu beten: Wenn es aus den Lautsprechern der Moschee tönt, werden sogar vor den Gebetsräumen die Teppiche auf den staubigen Straßen ausgerollt um sich zum mehrmaligen täglichen Gebet zu versammeln. Immer und immer wieder knien sie die Männer nieder und schicken ihre Gebete Richtung Mekka.
Das war’s von Marrakesch? Natürlich nicht. Mehr dazu gibt es im nächsten Beitrag, so stay tuned.
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Es ist immer wieder spannend deine Beiträge zu lesen! Das erspart es (fast) selbst dorthin zu fahren! Freue mich schon auf die Fortsetzung.
Ich sitze hier im fadgrauverregneten Wien und erfreue mich an den Geräuschen und Gerüchen der großen Freiluftküche…! Danke – freu mich auf die nächste Nachricht,
So cool! Man hat das Gefühl, als wäre man live dabei gewesen. 🙂