Es war ein ruckeliger Flug nach Bali und eine ebenso ruckelige Ankunft auf dieser Insel. Im Flugzeug schütteln mich die Turbulenzen. In meinen ersten Tagen in Canggu meine Gefühle.
Jedes Ende ist ein Abschied.
Am Flughafen in Teheran treffe ich Jaka, seine Frau Asti und die kleine Kemala, die ich im Guesthouse in Isfahan kennengelernt habe, wieder. Während sie nach Hause nach Jakarta fliegen, fliege ich weiter nach Bali. Während sie die letzten iranischen Toman für Souvenirs ausgeben, marschiere ich zum Gate. Mein Handy vibriert. „We will miss you!“, steht auf dem Display. Meine „Iranfamily“ – Alex, Isabel und Mira – schreibt. Ich drücke die Nachricht weg und halte die Tränen zurück, als es plötzlich wieder klingelt. Ich blicke auf ein Bild von Mira, Hamid, Mehdi und mir. Wir erheben unsere Gläser, trinken von Hamid selbstgemachten Rotwein an meinem letzten Tag in Teheran. Um Hamids Armgelenk ist das Freundschaftsband, welches ich ihm an unserem Wochenende im Norden geknüpft habe. „Have a good flight, my friend!“, schreibt er mir, bevor der Aufruf zum Boarding startet. Auch Jakob hat mir vom Flughafen aus Istanbul geschrieben, für ihn ging es schon früher nach Hause. Als ich im Flugzeug sitze, rollen mir die Tränen über die Wangen. Schon wieder ein Abschied, der schwer fällt.
Yogane Begrüßung.
Ich komme in Bali an und fühle mich nackt, ohne Kopftuch und langärmelige Kleidung. Ich zupfe an meiner kurzen Short herum, als ich beim Frühstück in Canggu sitze. Schon von Wien aus habe ich diese Unterkunft gebucht um ein bisschen anzukommen, ein bisschen den Yogalifestyle zu probieren und die vielen spannenden und sicher herausfordernden Tage im Iran zu verarbeiten. So war mein Gedanke. Ich stochere in meinem veganen Reispudding herum. Neben mir sitzt eine Gruppe Yogamädels in engen Yogapants, flachen Bäuchen, Mandala Tattoos am Oberschenkel und den ausgebleichten Haaren, die man hat, wenn man wochenlang am Strand liegt.“Have you tried this new vegan restaurant?“, fragt eine.“Oh my god“ höre ich eine andere sagen, „she is so materialistic.“ In der Hand hält sich das iPhone 7. Irgendwie fühle ich mich falsch hier. Ich schau auf mein veganes Frühstück, nehme meinen Rucksack und gehe.
Hangout zwischen Wien und Italien.
Die Tage vergehen mit Yoga- und Meditationsstunden. Immer wieder regnet es und ich genieße die Zeit, die ich alleine in meinem Zimmer verbringen kann. Entfernt von Menschen, mit denen ich einfach nichts gemeinsam zu haben scheine. Den verliebten Pärchen, die am Strand spazieren, den veganen Yogamädels, den Surfer-Typen, den australischen Singleboys, die dich nach einem Bier fragen, ob es heute dein oder sein Zimmer sein soll. Ich schau mir auf meinem Handy meine Iranfotos an, die Selfies mit Mira und Hamid. Wer hätte gedacht, dass ich es im Iran leichter haben werde Menschen kennenzulernen als auf Bali, frage ich mich. Auf meinem Handy erscheint genau in dem Moment eine Meldung: „Bryan wants to hangout!“ Couchsurfing Hangouts ist eine App, die dich mit anderen Reisenden und Einheimischen verknüpft, sei es um ein Bier trinken zu gehen oder einen Ausflug zu unternehmen. Ich öffne das Profil von Bryan, Yogalehrer aus Bali/Canggu, 30 Jahre alt. Draußen regnet es gerade wieder. Ich tippe auf meinem Handy. „Hi Bryan! Wanna grab a beer tonight?“ Ich gebe Bali noch eine Chance.
Zwei Stunden später treffe ich Bryan am Strand. Er lebt in Uluwatu, unterrichtet dort und in Canggu Yoga. Wir setzen uns auf den aufgewärmten Strand und plaudern – über Bali, über seine Träume, meine Weltreise, das Leben. Während die Sonne über dem Meer untergeht, erzählt er mir, dass er 5 Monate in Österreich als Au Pair gearbeitet hat. „Vienna ist special for me“, sagt er und schaut in die Ferne. Ich grabe meine Füße in den Sand. „Yes, it is beautiful!“ Er kommt aus dem schwärmen gar nicht mehr heraus. Redet von Wien, den engen Gassen, den lieben Menschen. Vor mir verschwimmt das Meer.
Gehen wir Pizza essen, schlägt Bryan, dem ich von meinem italienischen Nomaden-Mann erzählt habe, vor. Das vegane Frühstück hat schon längst Platz in meinem Bauch gemacht. „Hast du einen Roller?“, fragt er mich als wir zur Straße gehen. Ich schüttle den Kopf. Bisher war meine Angst vor dem Rollerfahren zu groß. Schon als Fußgänger hat man es hier schwer auszuweichen. Dann noch der Linksverkehr. Bryan merkt meinen verängstigten Blick und grinst: „I’ll take you.“ 5 Minuten und meine erste Scooterfahrt als Beifahrerin später sitzen wir in einer Pizzeria in Canggu, teilen uns eine Pizza und trinken ein Bintang Bier. Ein bisschen Wien und Italien in Canggu.
Es ruckelt.
Am nächsten Morgen komme ich auf meinem Weg zur Wäscherei an einem Mopedverleih vorbei. Ich bleibe stehen und werfe einen verstohlenen Blick auf die Mopeds. Ich bin noch nie auf einem Roller gesessen. Vielleicht… Ich gehe zu dem schlafenden Mann, der vor dem Laden sitzt und räuspere mich. „Want to rent?“, schießt es aus ihm heraus und er richtet sich gerade auf. „Yes!“, antworte ich wie aus der Pistole geschossen, bevor ich es mir anders überlegen kann. Als ich auf dem alten Roller sitze, weiß ich nicht, ob ich mutig oder dumm bin. Der Helm, den mir der alte Mann gegeben hat, ist viel zu groß für meinen Kopf. Der Ladenbesitzer ist wieder auf sein Plätzchen zurückgekehrt und schon wieder in der Tiefschlaf-Phase angekommen. Ich schaue verzweifelt auf den Lenker und drücke alle zur Verfügung stehenden Knöpfe. Ich schaue mich um. Zumindest ist niemand auf der Straße, der meine Unfähigkeit dieses Ding überhaupt zu starten, sehen könnte. Nach gefühlten 5 Minuten weiß ich, dass ich die Bremse und den Starter gemeinsam drücken muss, um das Gurgeln des Motors zu hören. Ich gebe Gas und rolle an. Ich drücke die Bremse und bleibe abrupt stehen. Nochmal Gas. Bremse. Es ruckelt. Der Helm rutscht mir ins Gesicht und ich schiebe ihn mit dem Handgelenk zurecht. Nochmal Gas. Mit jedem Meter gewinne ich mehr Sicherheit, bis ich schließlich dahinrolle. Ich bin im nächsten Gang auf Bali.
Salsa und New York.
45 Minuten sagte Google Maps bis zum La Laguna in Canggu, wo ich Aisha aus New York zum Salsakurs treffen werde. Ich zupfe mein neu gekauftes Kleid zurecht und gehe nochmals ins Bad. Vor dem Spiegel puste ich meine Wangen auf. Ich weiß, dass ich nur Zeit schinde. Draußen ist es dunkel, die Gassen sind eng, der Roller noch ungewohnt. „Just do it“, zitiere ich mein Nike Yoga Shirt und stapfe los. Mein Roller parkt vor der Tür. Die ersten Meter müssen sich meine Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen. Ab Meter 10 beginnen die Gassen enger zu werden. Pflastersteine fehlen. Alles ruckelt. Neben mir geht es hinab zu den Reisfeldern. Ich blinzle. Die Lichter der entgegenkommenden Autos und Mopeds blenden mich. Mein Puls beschleunigt sich. „Keine Panik“, sage ich mir wie mein neues Mantra. 20 Minuten und ein paar Navigationsstopps später bin ich am Ziel: Aisha, die ich ebenfalls über Hangouts kennengelernt habe, hat mir gesagt, dass es im La Laguna heute einen gratis Salsa Kurs gibt. Vorbei an Hütten gelange ich auf einen großen Platz. Über mit hängen Lichterkette. Am Boden liegen Teppiche und Sitzpölster. Ein Feuer knistert in der Mitte der Rasenfläche. Erst jetzt merke ich, dass meine Beine immer noch zittern. Ich sinke auf den Polster auf den Boden, wo meine Knie endlich nachgeben dürfen. Es braucht ein Ginger Bier und einen Oktopussalat, bis ich bereit bin Aisha kennenzulernen, die aus New York ist und hier „Langzeit Urlaub“ macht. Sie sucht einen Ort, an dem sie leben möchte, da ihr NY nicht mehr reicht. Sie vertreibt ihre eigenen Flip Flops, surft, mag Bali – und Salsa.
Die Entscheidung.
Ich schließe die Augen und fühle wie Kim mich führt. Der Rhythmus bringt mich innerlich zum Vibrieren. Er erinnert mich daran, dass ich bald selbst durch das Geburtsland dieses Tanzes reisen werde. Ich spüre wie meine Wangen warm werden. Als die Musik endet, lächelt mich Kim an. Ihre blonden, kurzen Locken wippen im Wind und sie hat ein so herzliches Lachen. Sie ist aus Melbourne, hat sie mir erzählt. Die Stadt sei wunderschön – aber teuer. Ich stimme ihr zu und erzähle von den Air BnB Kosten, die mir während meiner Recherche untergekommen sind. In zwei Wochen geht mein Flieger nach Melbourne. Ich denke an die letzten Tage, in denen ich jedes Mal wenn ich vor meinem iPad gesessen bin und Hostels, Wohnungen oder Zimmer in Melbourne gesucht habe, nach kurzer Zeit frustriert aufgegeben habe. Ich denke an mein schwarzes Finanzbuch. Ich denke an Argentinien, Chile, Ecuador, Kolumbien, México. Ich denke an Salsa. Ich denke an Zuhause. Ich denke an Planänderung. „You are going to Melbourne?“, fragt sie mich. „Not for now“ antworte ich ihr und es fühlt sich kein bisschen falsch an. Pläne sind eben auch manchmal da, um sie zu verwerfen.
Ein wunderschöner Bericht! Man hat das Gefühl dabei gewesen zu sein, und genau so empfunden zu haben wie du… 🙂