Ich fahre nach Yazd. Wieder werde ich im Bus drei Mal umgesetzt. Diesmal wundere ich mich aber nicht mehr und nehme neben einem jungen Mädchen Platz. Sie hat ihr iPhone in der Hand, die Kopfhörer im Ohr. Sie grinst mich an und ich setzte mich neben sie. Auf dem Busfernseher läuft eine iranische Seifenoper. Ein junger Mann vor mir beginnt laut zu lachen. Sein Lachen multipliziert sich mit dem hysterischen Gekicher, welches in der Seifenoper eingespielt wird. Ich wundere mich. Neben mir höre ich es räuspern.
Farnaz und das Glück.
„Where are you from?“ Wie oft habe ich diese Frage gehört. Ich drehe mich zur Seite und schaue in das Gesicht einer jungen Frau. Sie hat ein breites Lächeln und wunderschöne dunkle Augen. Ich erzähle ihr woher ich bin und auch was ich vom Iran bisher halte. Sie heißt Farnaz, studiert in Yazd, erzählt sich mir im Gegenzug. „Was machst du hier im Iran?“, fragt sie mich. Als ich ihr von meinen Reiseplänen – von Bali und Südamerika – erzähle, werden ihre Augen groß. „Für uns ist es nicht so leicht das Land zu verlassen!“, sagt sie. Ich frage sie nach ihrer E-Mail Adresse und verspreche ihr Fotos zu schicken. Ihre Augen leuchten wie meine, wenn ich an das Reisen denke und plötzlich bin ich unendlich glücklich, nicht nur weil Farnaz mir zeigt, wie froh ich sein kann, diese Reisen machen zu können, sondern auch, dass ich diese junge Frau kennenlernen durfte, denn sie wird mir noch eine große Hilfe sein. #Reiseengel
Alleine in Yazd.
Moscheen dürften es mir angetan haben, denke ich mir als ich am Boden der Jameh Moschee in Yazd sitze. Ich grabe meine Zehen in den Teppich und schaue auf die Decke. Mein Notizbuch liegt auf meinem Schoß.Ich schaue mich um: Zwei Männer knieen im vorderen Teil der Moschee. Immer wieder senken sie ihren Kopf auf einen kleinen Stein. Nachdem ich gestern noch mit Alex, Isabel und Mira unterwegs war, kommt mir das Alleinsein heute komisch vor. Auch wenn ich es in den letzten Tagen im Iran schon genießen gelernt habe – vor allem, dass ich viel Zeit zum Schreiben habe. Trotzdem fehlt mir nach der lieben Gesellschaft dieser Menschen etwas… Ich beschließe weiter zu schauen und verlasse die Moschee. Langsam spaziere ich zum Chakmaq Platz, bei dem mir ein alter Iraner, ohne gefragt zu haben, erklärt, was das große Holzgestell auf dem Platz sein soll: Gerade „feiern“ die Schiiten das Ashura Fest und dieses Holzgestell wird von den Menschen durch die Stadt getragen. Auch vor meinem Hostel steht ein solches „Holzschiff“. Ich bedanke mich für die Erklärung und lege meine Hand aufs Herz. Als ich mich wieder auf den Rückweg zu meinem Hotel mache, höre ich jemanden rufen. Mein Blick klebt an meinem Smartphone, das in den letzten Tagen zu meinem Navi, meinem Reisebüro, meinem mobilen Schreibtisch und meiner Nabelschnur nach Hause geworden ist. „Kerstin“, höre ich und jemand hüpft in meinen realen Bildschirm. „Mira“, kreische ich, meine neue Freundin, die gerade aus dem Taxi gesprungen ist, an und umarme sie. Im Taxi erzählt sie mir, dass Alex und Isabel auch nachkommen. Auf Reisen ist man eben nie wirklich alleine. #Reiseengel
Das orangene Meer von Yazd.
Um 16:30 wartet Amir vor der Moschee. Während der Fahrt in seinem Auto erzählt Amir Alex, Isabel, Mira und mir, dass er eigentlich seinen Doktor in Physik macht und im Labor sein sollte. Heute aber fährt er mit uns in die Wüste. Nach nur 20 Minuten wird es sandiger an den Straßenrändern. Die Asphaltstraße weicht einer Sandsteinpiste bis schließlich irgendwann die letzten Steine dem Sand weichen und wir mitten in der Wüste stehen. Vor uns erhebt sich eine riesen Sanddüne. Ich ziehe meine Schuhe aus und klettere auf die Düne. Oben angekommen erstreckt sich vor mir ein orangenes Meer aus Sand. Ich drehe mich um mich selbst: Überall Sand bis hin zu den Bergen, die neblig im Hintergrund liegen. Ich höre es plötzlich laut Brummen. Ein schwarzer Jeep jagt durch die Wüste auf mich zu. Direkt vor meinen Füßen reißt der Fahrer das Lenkrad herum und Sand spritzt auf meine Füße. Er bremst. Amir deutet uns einzusteigen. Fünf Minuten und einen flauen Magen später stehe ich vor einem wunderschön glitzernden See, als sich der Himmel in tausend Lila- und Orangetöne färbt.
Vom Wind, Feuer & der Stille.
Am nächsten Morgen treffen wir Amir wieder. Wir wollen mit ihm ein paar andere Sachen in und rund um Yazd anschauen und so sitzen wir bald wieder in seinem Auto. Unser erster Stopp ist der höchste Windturm in Yazd: Mit diesen für Yazd berühmten Türmen wurden früher Räume gekühlt. Als Mira und ich uns unter den Schacht des Turmes stellen, beginnt mein schwarzes Kleid im Wind zu tanzen. „Altmodische Klimaanlage“, grinst Amir mich an. Im alten Feuertempel der Zarathustrier stehe ich lange vor der hinter Glas stehenden, heiligen Flamme, welche angeblich seit 1500 Jahren brennt. „Good Thoughts. Good Words. Good Deeds.“, wiederhole ich Amirs Worte, die die Lehre der Zarathustrier sind. „Let’s go!“, sagt Amir plötzlich. Als sich die Sonne senkt, steigen wir aus Amirs Auto und erklimmen den „Tower of Silence“. Diese dienten den Zarathurstriern als Grabstätten. So makaber dieser Ort sein mag, so sehr genieße ich es oben auf den Steinen zu sitzen und hinabzublicken. „She is fast!“, höre ich es neben mir sagen. Ein kugelbäuchiger Iraner sitzt gegenüber von mir, auf dem abgeschlagenen Teil des alten Mauerwerks. Sein Finger stupst die Sonne an, die ebenso kugelrund wie sein Bauch am Horizont steht. Vor mir liegt Yazd im glühenden Licht. In der Ferne sehe ich Berge. Um mich herum ist alles still. Als ich genau hier auf diesem Turm sitze, die Sonne mich mit ihren letzten Strahlen wärmt, ein leichter Wind unter mein Kopftuch fährt und ich nichts außer mein Herz schlagen höre, spüre ich es wieder: Das Glück hier zu sein!
Neue Freunde.
Über mir hängen bunte Regenschirme und neben mir wird gelacht. Alex, Isabel und Mira sind da. Und auch Jakob aus Deutschland. Er reist seit 3 Wochen durch den Iran. Ich habe ihn im Bus nach Yazd kennengelernt und mit ihm und seiner Reisebekanntschaft, einem Niederländer, ein Taxi geteilt. Da wir beide nachher nach Shiraz wollen, haben wir Nummern ausgetauscht. Und nun sitzen wir auf einer Dachterrasse in Yazd, schlürfen unsere alkoholfreien Mojitos und plaudern über unsere Erfahrungen im Iran. Farnaz, mein Reiseengel, hat uns 5 Ticktes für den Nachtbus nach Shiraz reserviert, den wir in wenigen Stunden nehmen werden. Ich blicke in die Runde: Alex und Isabel bereden ihre weitere Reise. Sie möchten noch in den Norden Irans, bevor es für beide wieder zurück in den Irak gehen soll. Mira versucht gerade mit ihrem Handy die bunten Schirme einzufangen. Jakob kramt nach seinem Objektiv, um den über der Stadt leuchtenden Mond festzuhalten. Und ich, ich möchte diesen Momente und vorallem diese neugewonnenen Freunde festhalten. Über die Grenzen dieses Landes hinaus!
So schön mit dir auf Reisen zu Gehen!