Schiele, Chagall, Rothko. Ich mag Kunst. An verregneten Sonntagen packe ich liebend gern den Nomaden-Mann ein und gehe mit ihm ins Museum. Dass man aber nicht in ein Museum muss, um Kunst zu sehen, dass zeigen mir auch meine Reise. Schaut man genau hin, entdeckt man in jeder Stadt Kunst. Und das sogar gratis 😉
Streetart ist für mich auch deshalb so besonders, weil man manchmal genauer hinsehen muss, um sie zu entdecken. Oft gehen wir – gehetzt vom Alltag, mit den To-Do Listen im Kopf und dem Blick bereits in der Zukunft – durch die Gassen, sodass uns die kleine Zeichnung an der Hausmauer, das gesprayte Stencil am Boden oder der Sticker auf der Rückseite der Verkehrszeichen gar nicht auffallen. Ich ermahne mich auf meinen Reisen immer wieder genauer und bewusster hinzuschauen. Und manchmal fühle ich mich dabei wie ein kleiner Detektiv auf der Suche nach Spuren. In Pisa zum Beispiel fand ich in der ganzen Stadt verteilt wunderbare kleine Strichzeichnungen, die sich förmlich zu einer Geschichte in meinem Kopf versponnen haben.
Belgrads Savamala, das Viertel an der Save, war für mich wie ein Spaziergang durch eine Outdoor Galerie. An jeder Ecke gab es versteckte Kunstwerke zu bestaunen. Kommt mit mir mit auf einen Spaziergang durch Savamala und entdeckt die Kreativität von Belgrad:
Wir starten an der Branko Brücke. Der Stiegenabgang hinter zur Save ist voll mit Graffitis aller Art. Oh, hey, erinnert mich ein rosa Schweinchen: „Friend not Bacon“. Kathi, die Vegetarierin unter uns, zückt den Fotoapparat 😉 Ich denke an mein nächstes Abendessen und entschuldige mich jetzt schon beim Schweinchen. Weiter geht’s zur Braće Krsmanović. Hier stecke ich die Kamera nicht einmal mehr ein. An jeder freien Wand gibt es etwas zu sehen. Besonders angetan hat es mir das Pippi Langstrumpf Graffiti, welches ich bei einem Spaziergang entlang der Save entdeckt habe. „Sei frech, wild und wunderbar“ schießt es mit durch den Kopf. Eines meiner Lebensmottos.
Wir spazieren weiter zur Hilandarska Straße 26 – dem Open Air Museum eines gebrochenen Herzen und einer gescheiterten Liebe. Was ihr hier an der Hausmauer seht, ist nicht Müll, den man achtlos hier abgestellt hat. Nein, alle verlassenen Dinge, die diese Hausmauer zieren, sind aus einem bestimmten Grund hier: Alles begann vor ein paar Jahren als ein Mann eine kleine Figur, ein Überbleibsel aus der gescheiterten Beziehung mit seiner Ex-Freundin, in seinem Postkasten fand. Von Tag zu Tag fanden immer mehr Figuren, als ein Zeichen der Liebe, ihren Weg in den Postkasten und darüber hinaus. Zuerst auf das Fensterbrett, dann an die Hauswand. Ich stehe lange vor dem gelben Haus, beobachte die zurückgelassenen Dinge: einen Strohhut, einen Badewannenstöpsel, eine Tablettenverpackungen, Kabelbinder. Ich denke über das nach, was ich schon in meinem Leben zurückgelassen habe. Beziehungen, Menschen, Orte, Träume aber auch Enttäuschungen und negative Gedanken. Ich krame in meiner Tasche nach dem was ich hier zurücklassen werde. Für manche wird es nichts bedeuten, für mich bedeutet es viel: Ich lege ein rosa Busticket auf den Mauervorsprung. Ich habe schon vieles zurückgelassen, gewollt oder ungewollt, aber alles davon hat mich weitergebracht. Dorthin wo ich jetzt bin – und auch nach Belgrad 🙂
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Gabriele says
Sehr schön zu lesen! Es läßt mich nachdenklich werden!