Es war eine kurze Nacht im Flughafenhotel in Teheran. 2 Stunden Schlaf und der doch härter als gedachte Abschied von meinem Zuhause und dem Nomaden-Mann machen meinen Körper und meinen Geist müde. Im Taxi zu meinem Host Hamid realisiere ich noch nicht, dass ich JETZT meine große Reise gestartet habe. Die ersten Eindrücke des Irans ziehen an mir vorbei, ohne dass ich sie wahrnehme. Ich bin mit meinen Gedanken noch Zuhause, bei der Familie, bei meinem Freund, bei meiner Arbeit… Ich hole mich zurück ins Jetzt und versuche die Schwere wegzuatmen. Ich bin im Iran, sage ich mir, und spüre schon wie meine Reiselust sich mit einem leichten mulmig sein meldet. Oder ist es doch der Hunger?
Breakfast at Hamid.
Nach einer langen Fahrt komme ich bei Hamid, meinem Host, an. Ich hatte davor schon über WhatsApp mit ihm Kontakt und daher fühlt es sich an, als ob ich einen Bekannten wiedersehen würde. Sein Apartment liegt im Norden von Teheran und ist klein, aber sehr gemütlich – und direkt an der Metro, was ich in den nächsten Tagen noch schätzen lernen werde. Mein Bauch knurrt. „Oh, perfect. You are hungry!“, sagt Hamid und begleitet mich an den großen Esstisch in seiner Wohnung. Nicht wirklich, denke ich mir, sage aber: „Sure!“, als ich den gedeckten Tisch sehe. Wir essen Spiegelei, betröpfeln es mit Zitrone, dazu gibt es Lavash, dünnes Brot. Während wir essen, daten wir uns wie alte Freunde ab, was gerade in unserem Leben so passiert. „I saw on Facebook that you are engaged?“ „Yes!“ „Congrats!“ How was Cambodscha, Hamid?“ „Awesome. I brought some Weasel coffee. We definitely have to try it!“ „Oh yes, let’s do this!“ Fast zwei Stunden sind wir am Plaudern, essen und planen meines ersten Tages. Als ich die Wohnung von Hamid, der zur Arbeit gefahren ist, verlasse, denke ich mir, dass es wohl keine bessere erste Erfahrung fürs Couchsurfen gibt. Und ich werde recht behalten. Aber dazu später
Women only.
Ich gehe zur U-Bahn Station. Ein warmer Wind bläst mir entgegen und mein Kopftuch verrutscht. Ich fange es gerade noch ab, bevor es meine blonden Haare entblößt. Daran muss ich mich erst gewöhnen. Am Bahnsteig gehe ich schon automatisch an den auf den blauen Stühlen wartenden Männern zu den im schwarzen Tschador auf gelben Stühlen wartenden Frauen vorbei. „Women only“ lese ich am Boden. Im „Männerbereich“ des Bahnsteiges steht ein iranisches Pärchen. Als die U-Bahn einfährt, begleitet der junge Mann seine Freundin zum Frauenwagon. Als sie eingestiegen ist, sprintet er zum Männerwagon. Durch eine Plexiglasabtrennung lächeln sich die zwei im inneren des Zuges zu. Ich steige auch ein und eine alte Frau im schwarzen Tschador winkt mir, dass ich mich zu ihr setzen soll. Ich tue wie geheißen.
Von Paläste, Kopftüchern und Reiseengeln.
Ich sitze im Park vor dem weißen Palast. Dem Taxifahrer habe ich, aufgrund meines mangelnden Verhandlungsgeschicks, einen viel zu hohen Preis für die Fahrt bezahlt. Und der Preis für den grünen Palast war er nicht wert. Was es hier zu sehen gibt? Perserteppiche, alte Möbel, Stofftapeten, ein Kochservice aus Deutschland, einen Röhrenfernseher und die Duftfläschchen der Königin. Nach 15 Minuten habe ich das Museum verlassen. Ich möchte mir viel mehr als die Vergangenheit, die Gegenwart dieses Landes anschauen. Und so beschließe ich durch den Park zu spazieren. An einem ausgetrockneten Flussbett sitzen 3 junge Mädels und machen Selfies, ihre Kopftücher sind bis in den Nacken gerutscht. Auf einer Parkbank sehe ich zwei junge Frauen sitzen, auch ihre Kopftüchern liegen auf den Schultern. Eine der beiden fährt der anderen liebevoll durch die offenen Haare. Ich setze mich in ein Kaffeehaus und bestelle ein Cola. Mein Handy klingelt – Zuhause ruft an. Ich erzähle meiner Mutter, wie anders der Iran ist und wie schwer es bisher war mit jemanden in Kontakt zu kommen. Ich schlürfe mein Cola leer, dass ich mühsam erkauft habe. Mit dem „Millionär“ sein & den iranischen Rial – und der Scheinwährung „Toman“ – komme ich noch nicht so zurecht (100.000 Rial = 10.000 Toman = 2,51 Euro.) Ich packe mein Zeug und mache mich auf den Nachhauseweg. „Hello“, höre ich plötzlich hinter mir. „Where are you from?“ Ein junges Mädchen im schwarzen Kleid und Kopftuch grinst mich an. „Austria“, sage ich und grinse sie an. Fateme ist 16 Jahre alt, erzählt sie mir. Sie fragt mich ob sie meine Handynummer haben kann, ob wir schreiben können, ob ich sie zuhause besuchen möchte, ob sie ein Foto mit mir machen kann. „You’re my first foreign friend!“, sagt sie. Und du mein erster Engel auf Reisen, denke ich.
Zuhause angekommen sinke ich bei Hamid aufs Sofa. Ich frage Hamid ob es eigentlich ok ist das Kopftuch abzunehmen. „Sicher!“, sagt er. „Feel like home!“ Ich reiße mir das Kopftuch vom Kopf und lehne mich an die Sofalehne. „Now it’s time für the weasel coffee!“, sagt Hamid und grinst mich an. Dazu gibt’s Gaz, eine Süßigkeit aus Isfahan. Während wir Kaffee schlürfen, sagt Hamid beiläufig: „Oh, you wanna join me at a birthday party today?“ Ich schaue auf die Uhr. 21 Uhr. Zwei Stunden Schlaf. „Sure!“, sage ich und es fühlt sich schon fast wie Zuhause an.
Sehr interessanter, schöner und aufregender Bericht! Und Aufenhalt mein mutiges Mädchen!
Klingt wirklich spannend! Wir wollen mehr!